
Die erste Übung einer jeden Yogastunde
In diesem Beitrag möchte ich mit dir Impulse zum Ankommen in deiner Yogapraxis teilen, sodass du diese nachhaltiger in deinem Leben integrieren kannst oder gar damit beginnst.
„Wir beginnen in der Rückenlage“. „Genau das brauch ich“, denke ich mir. Den ganzen Tag war ich unterwegs, bin von Aufgabe zu Aufgabe gesprungen und am Ende tatsächlich auf meiner Yogamatte gelandet. Noch ein weiteres Häkchen, das ich nach der Einheit, setzen kann. „Schenk dir drei wundervolle Atemzüge, um anzukommen“. Schon bei der ersten Einatmung springe ich gedanklich zu dem Termin von vorhin zurück. Als ich mich nach kurzer Zeit davon lösen kann, beginnen wir schon mit der ersten Haltung. 25 Minuten später bin ich immer noch nicht angekommen. Das Häkchen zu setzen, gibt mir ein besseres Gefühl als die Praxis selbst.
Zur Vorbereitung auf diesen Beitrag habe ich mir den Anfang von verschiedenen, oft angesehenen, Yogavideos auf YouTube angeschaut. Ich wollte wissen, wie Yogastunden, zumindest teilweise, begonnen werden.
Die Situation, die ich eingangs beschreibe, ist ausgedacht. Also so halb, denn vor einiger Zeit hat meine Yogapraxis genauso ausgesehen, wenn ich es denn mal geschafft habe, ihr nachzukommen: ein weiteres TO-DO auf meiner unendlichen Liste, der sich immer erneuernden Aufgaben. „Ich muss mich gut um mich selbst sorgen“ wurde ein weiterer Punkt auf dieser Liste und es gab Phasen, in denen habe ich wochenlang kein Häkchen setzen können.
In der letzten Zeit habe ich für mich herausgefunden, dass das zum Teil daran lag, dass ich nicht das gemacht habe, was sich gut angefühlt hat und was ich in dem Moment gebraucht hätte. Ich habe mein Tablet aufgestellt, „Yoga“ in der Betreffzeile eingebeben und Videos angeklickt, die ich noch nicht kannte. Bloß keine Wiederholungen, denn ich bin doch schon viel weiter, was auch immer ich damit verbunden habe. Irgendwann bekam mich meine Yogamatte kaum noch zu Gesicht. Dabei befinde ich mich in einer sehr privilegierten Situation, denn ich habe in meinem Zuhause einen eigenen Raum für Yoga, für Körperarbeit, für Auszeiten. Doch die Matte lag wochen-, monatelang allein dort. Immer wenn ich an dem Raum vorbeikam, überkam mich ein schlechtes Gewissen und ich fühlte mich schlecht. Verloren in meiner Praxis, genauso wie die Yogamatte in dem Raum.
„In der letzten Zeit habe ich für mich herausgefunden, dass das zum Teil daran lag, dass ich nicht das gemacht habe, was sich gut angefühlt hat und was ich in dem Moment gebraucht hätte.“
Ein Grund ist mir jetzt bewusst: meine Yogapraxis hat sich für mich nicht gut angefühlt und so kam es, dass ich mich immer öfter dagegen entschieden habe. Das war mir zu dem Zeitpunkt aber nicht klar. Damals dachte ich, ich wäre zu undiszipliniert meiner eigenen Praxis nachzugehen. „Du kümmerst dich nicht um dich selbst? Ein Fehler, der Folgen haben wird“ – um meine Gedanken zu dieser Zeit einigermaßen abgemildert zu beschreiben. Ich ging meiner Yogapraxis also nicht nach, wusste nicht wieso und gleichzeitig hatte ich die Sorge, dass ich mit jeder ausgelassenen Praxis, ein Stückchen mehr Richtung Abgrund rutsche. Super motivierend.

Jetzt habe ich eine stabile Yogaroutine gefunden. Es gibt Ausnahmen, klar, denn auch ich lebe ein Leben mit Herausforderungen. Aber warum schaffe ich es überwiegend, auf einmal täglich und mühelos, meiner Praxis nachzugehen? Dafür gibt es mehrere Gründe, einer davon ist: das Ankommen. Die erste Übung einer jeden Yogastunde.
„Es gibt Ausnahmen, klar, denn auch ich lebe ein Leben mit Herausforderungen.“
In diesem Beitrag möchte ich dir Impulse zum Ankommen in deiner Yogapraxis mit auf deinen Weg geben, sodass du diese nachhaltiger in deinem Leben integrieren kannst oder gar damit beginnst. Die Impulse beziehen sich nicht ausschließlich auf Yoga als Form von Körperarbeit, sondern auch auf alle anderen, denen du vielleicht nachgehst.
Die Umgebung – fühlst du dich wohl?
Kennst du das Gefühl, das dich durchströmt, wenn du an einen Ort kommst, an dem du dich wohlfühlst? Bei mir ist das, dieser eine bestimmte Ostseestrand, in den frühen Morgenstunden, ohne Touristen oder bei meiner besten Freundin Zuhause. Orte, die nicht viel brauchen, um mir ein lösendes Seufzen zu entlocken oder mich, nach stundenlanger Fahrt, mit Schokolade auf der bequemen Kleidung, müde ins Sofa fallen lassen.
Deine Umgebung beeinflusst dein Nervensystem, welches maßgeblich an deiner Gesundheit beteiligt ist. Wenn du dich an einem Ort befindest, an dem du dich nicht wohlfühlst, wirkt sich das auf dein Nervensystem aus, in dem beispielweise deinen Muskeln mit Anspannung reagieren. Auf deine Yogapraxis bezogen: ziemlich ungünstig, wenn du doch eigentlich genau das Gegenteil bewirken möchtest. Zu der Umgebung zählt nicht nur die Einrichtung, die Größe des Raumes oder die Möglichkeit zur Toilette zu gehen, sondern welche Werte hier vertreten werden und ob die Menschen, die dich umgeben, dir guttun. Auch wenn du von deinem Zuhause aus Online-Yogastudios besuchst, kannst du darauf achten, dass du dich in diesem Setting gut aufgehoben fühlst.
Um herauszufinden, ob du dich in der Umgebung, in der du Yoga praktizierst, wohl fühlst, könntest du dir folgende Fragen stellen:
Wie ist deine Körperhaltung, wenn du den Raum/das Studio betrittst?
Gibt es körperliche Empfindungen, die du wahrnehmen kannst, die entstehen, wenn du den Raum/das Studio betrittst?
Was für Gedanken und Gefühle sind über den Zeitraum präsent, indem du in dem Raum/dem Studio bist?
Wie nimmst du den Raum/das Studio während der Stunde wahr? Hast du das Gefühl die Umgebung unterstützt dich in deiner Praxis?
Kannst du anhand deiner körperlichen Empfindungen, Gedanken und Gefühle erkennen, dass du dich wohl fühlst?
Bleib und verstärke die wohltuenden Aspekte deiner Umgebung.
Dein Körper sendet dir eindeutige Signale von Stress, wenn du den Raum/das Studio betrittst?
Schau mal, ob du die Umgebung, im Rahmen deiner individuellen Möglichkeiten, verändern kannst. Vielleicht probierst du ein anderes Studio aus oder Online-Yogakurse? Vielleicht fühlst du dich in deinem eigenen Zuhause wohler? Wenn du von Zuhause aus praktiziert: kannst du an dem Ort etwas verändern, ihn dir schöner machen?
Stell dir die Frage: Was brauchst du, um dich wohlzufühlen?
Deine Ausgangsposition – was brauchst du gerade?
Wie ich schon zu Beginn erzählt habe, sah meine Praxis früher oft so aus, dass wenn ich Zuhause Yoga praktiziert habe, dass ich auf YouTube nach Videos geschaut habe. Dieser Satz klingt nicht schön, finde ich während ich das schreibe, denke aber kopfnickend: Genauso war es. Ich hätte noch dazu schreiben können, dass ich Videos von Yogasequenzen gesucht habe, auf die ich Lust hatte, aber das war halt einfach nicht so. Ich wollte Yoga machen. That’s it.
So viele Videos, so viele Live Online-Yogastunden, in denen ich an meinen Bedürfnissen vorbeipraktiziert habe. Und warum? Weil ich nicht geschaut habe, was ich eigentlich gerade brauche. Und das fängt nicht erst mit der Auswahl eines Videos an, sondern schon bei der Wahl der Kleidung. Habe ich genug getrunken und gegessen?
Ich formuliere das gerne als „erste Bestandsaufnahme“. Ich stelle mir dann immer vor, wie eine Miniatur Version von mir, mit Klemmbrett in der Hand und Schutzhelm auf dem Kopf, an meinem Körper vorbei, durch ihn hindurch geht und sich Notizen macht. Ab und zu mal, irgendwo klopfen, horchen, ein nickendes Wissen und ein abschließender Bericht. Meine kleine Helferin, die sehr genau ist, alles notiert, aber nichts bewertet. Neutralität ist ihre Stärke.
Beginne schon die Zeit, bevor du auf deine Matte kommst, als erste Praxis anzusehen. Mach eine Bestandsaufnahme. Wenn es sich für dich stimmig anfühlt, nutze das Bild der helfenden Person mit Klemmbrett, die dich liebevoll inspiziert.
„Beginne schon die Zeit, bevor du auf deine Matte kommst, als erste Praxis anzusehen.“
In welcher Kleidung fühlst du dich heute wohl?
Verspürst du noch Hunger oder Durst? Musst du nochmal zur Toilette?
Wenn du ein Studio oder Live Online-Yogastunden besuchst: Plane dir 5-10 Minuten Zeit ein, um in der Umgebung anzukommen. Du kannst dir hierbei auch die Frage stellen: Fühle ich mich heute nach Kommunikation mit anderen Menschen? Möchte ich mich mit der Gruppe verbinden, würde mich das unterstützen oder brauche ich heute selbstbestimmte, liebevolle Abgrenzung?
Wenn du mit Demand Videos praktizieren möchtest, frage dich bei deiner Auswahl: nach wie viel Aktivität fühlst du dich? Mit welcher lehrenden Person möchtest du heute praktizieren?
Schau schon an dieser Stelle, wie du deine Praxis so gestalten kannst, dass sie dir entgegenkommt. Fühle dich auch jederzeit frei, Gegebenheiten zu verändern und halte nicht an deinen Entscheidungen fest, wenn du merkst, dass sie dir nicht guttun.
Kleiner Exkurs: Was bedeutet eigentlich „Yogapraxis“?
Ich schreibe in diesem Beitrag öfter von Yogapraxis. Aber was genau ist damit eigentlich gemeint? Für mich bedeutet das nicht ausschließlich die Teilnahme an einer ausgedehnten Yogastunde, sondern meint auch kleine Übungen im Alltag, die keinen großen Zeitrahmen oder Raum beanspruchen. Für mich ist Yoga&Körperarbeit schon das Seufzen, nach dem ich den Computer ausstelle oder der Rasen, den ich unter meinen nackten Füßen bewusst wahrnehme. Überleg dir deine kleinstmögliche Yoga-/Körperarbeitspraxis und mach sie so oft du kannst. Beispiel: Seufz dich voller Freude, wie ich, durch den Tag.

Das Ankommen – wonach fühlst du dich?
„Wir beginnen in der Haltung des Kindes“ beginnt ein weiteres Yogavideo auf YouTube.
Stell dir mal vor, du kommst von der Arbeit nach Hause, dort gibt es einen Konflikt mit einem Familienmitglied und bevor alles geklärt ist, steigst du ins Auto, ärgerst dich zusätzlich über den Feierabendverkehr, an der Straße findest du keinen Parkplatz, du kommst 1 Minute vor Kursbeginn ins Studio und das Erste, was du machen sollst, ist, dich in die Haltung des Kindes zu begeben.
Schon während ich das Schreibe, merke ich, wie meine Atmung flacher wird und sich meine Schultern noch oben ziehen. Und das liegt nicht an dem Konflikt oder dem Verkehr, den ich in der ausgedachten Situation beschreibe. Es liegt an der Vorstellung aus diesem Zustand heraus, sofort in eine passive Haltung zu kommen, in der es wenig Raum für Bewegung gibt.
Bei der ersten Bestandsaufnahme hast du dich bereits an deine eigene Körperwahrnehmung angenähert. Auf der Matte angekommen, geht es in die zweite Runde. Gedanklich taucht bei mir wieder die Miniatur Version von mir selbst auf, den Stift gezückt und motiviert, nochmal zu gucken, was jetzt Stand der Dinge ist. Absicht: die Praxis finden, die sich für mich gut anfühlt. Ich habe ihr einen Stuhl hingestellt. Sie bleibt die ganze Zeit bei mir. Ich brauche jetzt eine engere Beobachtung.
Wenn du auf deiner Matte angekommen bist, schau, ob du alles bei dir hast, was du brauchst und dir ein gutes Gefühl gibt:
Hast du etwas zu trinken? Einen Gegenstand, den du gerne in deiner Nähe wissen möchtest? (Nicht das Handy, da wäre es unterstützend es außerhalb des Raumes zu lassen)
Hast du genügend Platz auf deiner Matte? Wenn nicht, leg alles zur Seite, sodass du genügend Raum hast. Das äußerliche „Raum schaffen“ könntest du an dieser Stelle schon als weitere Übung betrachten.
Bei den YouTube Videos, die ich mir heute angeschaut habe, aber auch bei Stunden, die ich selbst besucht habe, ob vor Ort oder Online, habe ich oft erlebt, dass die Stunden in einer bestimmten Position begonnen werden. Es gibt keine Wahlmöglichkeit, die angeboten wird. Stell dir nochmal die Situation mit dem Konflikt und dem hektischen Straßenverkehr vor. Vielleicht hast du eine ähnliche Situation auch schon mal erlebt. Hier könnte es für die Person herausfordernd und alles andere als wohltuend sein, in die Haltung des Kindes zu kommen. Die Aktivität im Körper ist vielleicht noch hoch, sowie die innere Anspannung und die Gedanken kreisen auf Hochtouren.
Was könnte diese Person, was könntest du machen, um bewusst in der Yogastunde anzukommen?
Mach an dieser Stelle noch einmal eine Bestandsaufnahme:
Auf einer Skala von 1-10 wie hoch ist deine innere Anspannung (1 ist dabei entspannt und 10 hoch). Spüre für dich eine Zahl heraus und versuche sie nicht zu bewerten. Sei sanft mit dir.
Von welcher Anfangsposition (Liegen/Sitzen/Stehen) hast du das Gefühl, dass sie dich, in deinem aktuellen Nervensystemzustand, unterstützen würde?
Fühl dich frei, jederzeit eine andere Position zu wählen, wenn du merkst, dass du etwas anderes brauchst.
Richte dich in der Position, die du wählst, bequem ein – sei liebevoll akkurat und nimm dir alles, was du brauchst.
Brauchst du zu Beginn vielleicht kleine Bewegungen in deiner Position? Sanftes Wiegen im Sitzen oder Finger bewegen im Liegen?
Hilft es dir die Augen geöffnet zu lassen, um dich im Raum zu orientieren oder möchtest du die Augen schließen? Wechsel zwischen diesen zwei Möglichkeiten auch gerne hin und her.
Du kannst deine Aufmerksamkeit auf verschiedene Sinneseindrücke richten: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder Tasten. Auch zwischen diesen Möglichkeiten kannst du wechseln. Stelle dir dabei die Frage: inwieweit fühlt es sich gut an, tiefer in dich hineinzuspüren? Bleib gerne im Außen.
Bei hoher innerer Anspannung kann es unterstützend sein, wenn du dich auf einen Körperbereich fokussierst, der sich besonders gut anfühlt: vom kleinen Zeh bis zum Kopf ist alles möglich.
Nimm dir einen haptischen Anker mit in die Stunde. Das könnte beispielsweise ein Stein sein. Halte den Stein in deiner Hand, um präsenter bei dir, in diesem Moment, zu bleiben.
Wenn du in einem (Online-)Studio bist, in dem die beschriebenen Möglichkeiten, nicht gerne gesehen oder nicht toleriert werden, dann empfehle ich dir entweder, wenn es deine Kapazitäten zulassen, in die Kommunikation mit den Lehrenden zu gehen oder dir ein anderes Studio zu suchen.
Angekommen – wie geht’s weiter?
Du bist jetzt in deiner Yogastunde angekommen. Und das heißt nicht, dass all deine innere Anspannung verflogen ist und du völlig eins mit dem Hier&Jetzt bist, sondern, dass du dich bewusst wahrgenommen hast: wie fühlt sich dein Körper an? Wie fühlst du dich? Was brauchst du heute?
„Nimm die Antworten mit in die Stunde hinein und versuche immer wieder eine Bestandsaufnahme zu machen, zu regulieren, das zu machen, was sich für dich gut anfühlt.“
Wie genau du das machen kannst, erfährst du im kommenden Beitrag.
Am Ende dieses Beitrags möchte ich dich dazu ermutigen, mehr mit dir, deinen Körperempfindungen in Kontakt zu kommen. Das zu machen, was sich gut anfühlt. Das ist leicht dahin geschrieben und gesagt und kann in der Praxis eine große Herausforderung sein. Bleib bei dir, habe Geduld und betrachte dich, wenn du magst, mit mitfühlenden Augen.
Tausche dich gerne mit mir aus: Hast du noch einen Impuls, der dir hilft, um in deiner Yogapraxis anzukommen? Was sind deine Gedanken zu dem Thema?

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